Pseudodiskussionen helfen nicht: „Der Schwerlastverkehr ist eine Herausforderung, der wir uns längst mit Hochdruck stellen!“

Pressemitteilung/Stellungnahme

Zu der Forderung der Wilnsdorfer Jungunternehmer ASU, die jetzt zu einer ausschließlich von Pro-Route-57-Befürwortern besetzten Diskussion einluden, erklärt der Sprecher des Grünen Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein, Dr. Peter Neuhaus:

Wir haben es hier mit einer schwierigen Grundsatzproblematik im ganzen Land zu tun: Nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern bundesweit stehen inzwischen viele wichtige Transportrouten für Schwertransporte nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt zur Verfügung. Insbesondere auf den hoch belasteten Autobahnen aus den 60er und 70er Jahren sind für die Brücken vor allem aufgrund der Zunahme des Schwerverkehrs, für den sie seinerzeit nicht geplant und statisch ausgelegt waren, die Tragfähigkeitsreserven zunehmend aufgebraucht. 

Die Gründe hierfür sind u.a.:

  • Die (Güter-)Verkehrsleistung hat sich im Bereich des Straßengüterverkehrs von 1980 bis 2011 vervierfacht (von ca. 125 Mrd. tkm auf rund 500 Mrd. tkm). 
  • Die zulässigen Gesamtgewichte der LKW haben sich von 24 t (1956) auf inzwischen 44 t (EU) erhöht. 
  • Die Anzahl der genehmigungspflichtigen Großraum- und Schwertransporte >44 t hat sich seit den 70er Jahren von einigen wenigen Transporten auf über 100.000 Transporte jährlich allein in Nordrhein-Westfalen erhöht. 

Für die älteren Brückenbauwerke hat sich damit faktisch eine Nutzungsänderung ergeben, da diese für eine derartige Belastung baulich nicht ausgelegt sind. Von diesem Problem sind insbesondere die alten Bundesländer betroffen, ein Großteil der Brückenbauwerke stammt hier aus den Jahren 1960 bis 1985. 

Aktuell sind über 30 Brückenbauwerke allein auf Bundesautobahnen in Nordrhein-Westfalen für den Schwerverkehr ab 44 t nur noch eingeschränkt befahrbar, oder sogar ganz gesperrt. Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Brückenbauwerke im Zuge von Autobahnen und Bundesstraßen werden für Schwertransporte vermehrt schärfere Auflagen (Begleitfahrzeug/ Brückenquerung in Alleinfahrt oder Schrittgeschwindigkeit) sowie größere Umwege als noch vor einigen Jahren erforderlich. Dies führt zu längeren Transportdauern, längeren Bearbeitungszeiten für Genehmigungen und höheren Transportkosten. 

Diesem Problem haben sich die Grünen im Kreis seit langem intensiv gewidmet. So war Minister Remmel bereits im Februar 2012 im Rahmen eines Unternehmensbesuchs bei der SMS Siemag, um die Probleme vor Ort zu besprechen und Lösungen zu suchen. Neben Herrn Remmel hat sich auch der parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium, Horst Becker, auf Einladung des Kreisverbandes Bündnis 90/Der Grünen im Herbst 2012 in Erndtebrück zu diesem für die regionale Wirtschaft zweifellos enorm wichtigen Problemkomplex geäußert und dabei die grundsätzliche Ausrichtung der amtierenden Landesregierung in Erinnerung gerufen: Vorrang von Sanierung und Ausbau vor Neubau! 

Zuletzt war im Sommer 2013 Anton Hofreiter, damals Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, auf Einladung der Grünen in Kreuztal und hat klar gemacht: Mit Rücksicht auf die gemessen an einem eklatanten Sanierungsstau in der gesamten straßengebundenen Infrastruktur extrem knappen finanziellen Mittel muss es darum gehen, das Bestehende so schnell wie möglich soweit zu ertüchtigen, dass damit auch der Schwerlasttransport wieder besser abgewickelt und die darauf angewiesenen Unternehmen auf diese Weise unterstützt und gesichert werden können. Forderungen nach dem Bau neuer Trassen sind vor diesem Hintergrund kontraproduktiv.

Mittlerweile ist auf Landesregierungsebene eine Projektgruppe installiert, um folgende Aufgaben zu bewältigen:

  • Nutzungspotentiale des Verkehrsträgers Schiene bei der Abwicklung von Großraum- und Schwertransporten untersuchen und bewerten 
  • Anwendungsvoraussetzungen und Nutzungsmöglichkeiten von Schwerlastnavigationssystemen prüfen
  • Möglichkeiten zur Sicherstellung einer möglichst dauerhafte Erreichbarkeit der Binnen- und/ oder Nordseehäfen (ZARA-Häfen) von den Industriestandorten in NRW prüfen 
  • Ausweisung von Schwerverkehrsrouten von und zu den Industriestandorten in NRW im Autobahn- und nachgeordneten Netz 
  • Möglichkeiten zur Verbesserung des Informationsflusses und der Weitergabe von Informationen zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens untersuchen. 

Teilnehmer der Projektgruppe sind:

  • Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, 
  • Bezirksregierungen Arnsberg und Köln, 
  • Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) 
  • Verband Verkehrswirtschaft und Logistik 
  • Kreis Siegen-Wittgenstein 
  • Stadt Köln 
  • IHK Siegen 
  • Universität Siegen 
  • SMS Siemag 
  • DB Schenker Rail AG 
  • Schwerverkehrsgewerbe 

Erste Ergebnisse sowie ein Bericht der Projektgruppe werden für das Jahr 2014 erwartet. 

Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen geplant: Nach den Auswertungen des Landes sind im Zuge des nordrhein-westfälischen Teils der A45 ca. 41 Brücken vordringlich zu untersuchen bzw. nachzurechnen. Auf der Grundlage der Nachrechnungen werden Art und Umfang der jeweiligen Ertüchtigung festgelegt. Gemäß einer Kostenschätzung des Landesbetriebs Straßenbau ist mit Gesamtkosten in Höhe von rund 1 Milliarde Euro für die Ertüchtigung der Brücken im Zuge der A45 allein in NRW zu rechnen. Diese Summe umfasst sowohl Verstärkungsmaßnahmen, als auch Ersatzneubaumaßnahmen. Bisher wurden im Zuge des nordrhein-westfälischen Teils der A45 acht große Talbrücken nachgerechnet, zwei weitere befinden sich derzeit in der Nachrechnung. 

Von den bisher acht nachgerechneten Brücken wird für fünf Bauwerke eine Verstärkung erforderlich, drei Talbrücken müssen vollständig abgebrochen und erneuert werden. Die Verstärkung der ersten beiden Talbrücken ist abgeschlossen, mindestens ein weiteres Bauwerk soll 2014 in Bau gehen. 

Am 11. September 2013 wurde mit dem Ersatzneubau der Lennetalbrücke begonnen. Neben der Ertüchtigung bzw. Verstärkung von Brücken sind ständig auch sonstige Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. 

Fazit: 

  • Das Problem des Schwerlastverkehrs ist ernst und wir Grüne nehmen es ernst, sehr ernst. 
  • Auf allen Ebenen des politischen Handelns wird mit Hochdruck gearbeitet. Der Tisch, den die Wilnsdorfer Jungunternehmer fordern, ist längst eingerichtet. 
  • Es geht um Sanierung und Ertüchtigung. Die Forderung nach einer neuen Route sind nicht nur sinnlos, sie sind auch kontraproduktiv. Bärbel Höhn sagte zu Recht: „Die Grünen sind die wahren Realisten.“ Nicht einmal das Gutachten von Prof. Steinbrecher fordert eine solche neue Trasse. Und fragt man die Akteure etwa bei der SMS beim abendlichen Bierchen, dann sagen sie ganz offen: Die Route interessiert uns gar nicht, aber Sie wissen ja, die IHK…

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