Leserbrief zum Artikel „Vieles bewegt sich nur im Kriechgang“ (SiZ vom 27.1.2014)

„Künftige Generationen sollen nicht von uns sagen können, wir hätten sie im Stich gelassen.“

Kofi Annan

Der scheidende IHK Präsident Klaus Vetter nutzt alle Jahre wieder den IHK-Neujahrsempfang zu einem Rundumschlag gegen die Energiewende, gegen die er zwar nicht grundsätzlich sei, aber zu der ihm doch ausschließlich Kritisches einfällt und in der er vor allem eine Gefahr für die Wettbwerbsfähigkeit der deutschen Industrie sieht.

Von den Gefahren des Klimawandels für die deutsche und internationale Industrie hört man aus dem Munde Vetters kein Wort! Da ist die Weltbank – sicher kein grüner Club – schon weiter. Sie warnt eindringlich vor den Folgen  einer „Vier-Grad-Welt“ nicht nur für die Umwelt, sondern vor allem für die Weltwirtschaft. Auch das – ebenfalls nicht grünverdächtige – Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung warnt vor den zu erwartenden Kosten durch Klimaschäden in Höhe von rd. 800 Mrd. Euro bundesweit (in NRW über 70 Mrd. Euro) bis 2050.

Vetter beklagt desweiteren das Fehlen von „Marktwirtschaft“ auf dem Energiesektor und kritisiert die Förderung der Erneuerbaren durch das EEG. Dabei unterschlägt er, dass Atom-, Stein- und Braunkohle in den letzten 40 Jahren mit über 430 Mrd. Euro subventioniert worden sind, die Erneuerbaren dagegen bis dato gerade einmal mit 54 Mrd. Euro zur Markteinführung gefördert wurden. Selbstkritisches zur Deutschen Industrie fällt Herrn Vetter nicht ein. Dabei steigen die Stromkosten für Private und Mittelständler auch deshalb, weil die Befreiung der energieintensiven Unternehmen längst von der Ausnahme zur Regel geworden ist: Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der von der Umlage befreiten Unternehmen von 1720 auf 2800 gestiegen. Das macht rd. 5 Mrd Euro, die dem sog, kleinen Mann und der kleinen Frau auf die Energierechnung draufgelegt werden.

Der IHK-Präsident unterschlägt zudem vollständig den ökonomischen Mehrwert der Energiewende – gerade für die heimische Wirtschaft. Er fällt damit weit hinter die Positionen führender deutscher Wirtschaftsexperten zurück. Kein Grünling, sondern EX-BDI-Präsident Keitel sprach mit Blick auf die Tatsache, dass deutsche Unternehmen durch die Energiewende allein in 2011 fast 300 Mrd. Euro umgesetzt haben, von „großen Exportchancen für die deutsche Industrie plus Wachstum und Arbeitsplätze.“

Auch die Kommunen sind Gewinner der Energiewende: Der Beitrag der Erneuerbaren zur kommunalen Wertschöpfung wird pro Jahr auf über 10 Mrd. Euro geschätzt. Die Bezirksregierung Arnsberg stellt fest, dass in Südwestfalen durch den Ausbau der Erneuerbarer Energien innerhalb der nächsten 20 Jahre vor Ort ein Wertschöpfungsvolumen von etwa 4,5 Mrd. Euro entsteht.  Bei einer verstärkten Ansiedlung von Unternehmen in den Bereichen Herstellung, Betrieb, Dienstleistung und Zulieferindustrie können bis zu 4.200 Arbeitsplätze geschaffen und bestehende gesichert werden.  Man frage nur einmal die Dachdecker, Installateure und Fensterbauer vor Ort. Sie sind nicht immer glücklich über die Zwangsmitgliedschaft in der IHK, aber über die Energiewende beschweren sie sich nicht!

Kurz und gut: Selbst wenn man nichts mit Ökologie, Umwelt, Klimaschutz und diesem ganzen grünen Zeugs zu tun haben will, kann man ein Freund der Energiewende sein – und zwar, weil man damit Geld verdienen kann!

Man könnte allerdings auch – wie der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Anan es am Wochenende getan hat, moralisch argumentieren und etwa die Generationengerechtigkeit ins Feld führen, um für die Energiewende zu werben: „Künftige Generationen sollen nicht von uns sagen können, wir hätten sie im Stich gelassen.“ (Süddeutsche 24.1.2014 „Rettung des Weltklimas als Weltaufgabe“) Aber ob man den IHK-Präsidenten damit beeindruckt?

Dr. Peter Neuhaus, Löhrstraße 7, 57072 Siegen

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